Widersprüchliche, ja gegensätzliche Impulse ringen nicht nur in der einzelnen Menschenseele
miteinander, sondern auch im Kollektiv, in der Gemeinschaft. Die Sehnsucht nach Freiheit
steht gegen das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Die Lust an der Macht kämpft mit dem Empfinden
für Recht und Gerechtigkeit. Die Berufung zum eigenen Weg muss sich immer wieder behaupten
gegenüber den Ansprüchen, Modellen und Maßstäben der Umwelt.
Auch das Volk Israel kann seine Exodus-Geschichte, seine Befreiungserfahrung nicht leicht
bewahren. Wer will an JHWH als dem einzigen Herrn und König festhalten angesichts der
Macht- und Prachtentfaltung all der Klein- und Großkönige ringsum? Da geht selbst die
drastischste Prophetenmahnung ins Leere.
Und wir heute, die wir uns Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, Solidarität und
Gerechtikeit auf die Fahnen (bzw. ins Grundgesetz) geschrieben haben? Erliegen wir nicht auch
allzuleicht den Versuchungen von Macht, Reichtum und Ansehen. Und verschließen dann die Augen
vor den Kehrseiten und Spätfolgen dieser Wege?
Eine Alternative wäre: zu lernen am bitterernsten Lernweg Israels im Zeugnis der Bibel.